Reinhard Karl

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Reinhard Karl (* 3. November 1946 in Heidelberg; † 19. Mai 1982 am Cho Oyu) war ein deutscher Bergsteiger, Fotograf und Schriftsteller.


Reinhard Karl wuchs in den ärmlichen Verhältnissen der Nachkriegszeit in Heidelberg auf, wohin seine Eltern nach Ende des Zweiten Weltkrieges zogen. Sein Vater, Anton Karl, war Berufsmusiker in einer amerikanischen Militärkapelle. Seine Mutter, Marianne Karl, arbeitete als Dekanatssekretärin an der Universität Heidelberg.

Mit 14 Jahren begann Reinhard Karl eine Lehre als Automechaniker. „Der dreckigste und mieseste aller Traumjobs“, wie er später schrieb. Seiner Vorliebe für Bergbücher wegen brachte seine Mutter ihn auf die Idee in die Heidelberger Sektion des deutschen Alpenvereins zu gehen. Mit 17 Jahren begann Reinhard Karl erste Klettertouren am Battert und in der Pfalz und bald darauf auch in den Alpen. Das Bergsteigen am Wochenende wurde zur Flucht vor dem ungeliebten Job. Später machte Reinhard Karl sein Abitur nach und begann Sport und Geographie in Heidelberg zu studieren. Beim Studium lernt er 1976 Eva Altmeier kennen, die er am 27. Oktober 1978 heiratet.


In den 1960er und 70er Jahren kletterte Reinhard Karl einige der bedeutendsten Alpenrouten, u.a. an den Drei Zinnen, Grande Jorasses, Mont Blanc, Les Droites und Petit Dru. Zusammen mit Hermann Kühn gelang ihm die bis dahin schnellste Durchsteigung der Eiger-Nordwand in damals sensationellen anderthalb Tagen. In den 1970er Jahren besuchte Karl als einer der ersten Europäer das Yosemite Valley in den USA. Von dort brachte er die Idee des Freikletterns mit zurück nach Deutschland und trug zu deren Verbreitung bei. Zusammen mit Helmut Kiene eröffnete er 2. Juni 1977 die erste Kletterroute im VII. Schwierigkeitsgrad (UIAA-Skala) in den Alpen, die Pumprisse am Fleischbankpfeiler im Wilden Kaiser. Die beiden zeigten dadurch die überfällige Öffnung der UIAA-Skala – nicht nur über den VI. Grad hinaus sondern über dogmatische Grenzlinien im allgemeinen – auf.

Am 11. Mai 1978 erreichte er als erster Deutscher den Gipfel des Mount Everest. Als Fotograph im Auftrag der Zeitschrift „Bunte“ konnte Reinhard Karl sich der österreichischen Everest-Expedition unter Leitung von Wolfgang Nairz anschliessen, mit der Reinhold Messner und Peter Habeler den Berg erstmals ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen. Für seine Leistung am Mount Everest erhielt Reinhard Karl am 12. Dezember 1978 das „Silberne Lorbeerblatt“, die höchste Auszeichnung für Sportler in Deutschland.

Beim Versuch den Cho Oyu (8153m) im Himalaya über seine Südwand zu besteigen kommt Reihnhard Karl ums Leben, als am Morgen des 19. Mai 1982 eine Eislawine Lager 2 auf 7200m Höhe unter sich begräbt, in dem Reinhard Karl zusammen mit Wolfgang Nairz – der schwer verletzt überlebt – übernachtete.

Bekannt als Schriftsteller und Fotograf wurde Reinhard Karl vor allem durch die „Unbeschwerte Hemmungslosigkeit, Sensibilität, Verzicht auf Kitsch durch radikale Reduktion“ – wie Oswald Oelz es in Tom Dauers Reinhard Karl. Das neue Bild der Berge formuliert – seiner Tourenberichte, Berg-Texte und Fotos. Im Gegensatz zur bis dahin eher erhabenen, erfurchtgebietenden Bergfotographie, zeigt Reinhard Karl „Menschen in Aktion [..] Momentaufnahmen [..] mitten im alpinen Geschehen entstanden“ (Tom Dauer Reinhard Karl. Das neue Bild der Berge). Im Jahr 1980 erschien sein erstes Werk Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen, welches 1982 mit dem Buchpreis des deutschen Alpenvereins in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet wurde. Nach seinem Tod erschienen 1982 Yosemite – Klettern im senkrechten Paradies und 1983 Berge auf Kodachrome.


Bergsteigerischer Werdegang[Bearbeiten]

(Quelle: Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen. München : Bruckmann, 2009)

Alpen[Bearbeiten]

1965 Grosse Zinne, Nordwand, Dimai, Comici Dolomiten Italien
Westliche Zinne, Nordwand, Cassin Dolomiten Italien
1966 Aiguille des Grands Charmoz, Nordwand Montblanc-Gebiet Frankreich
Aiguille de Triolet, Nordwand Montblanc-Gebiet Frankreich
Petit Dru, Bonattipfeiler Montblanc-Gebiet Frankreich
1967 Grosshorn, Nordwand Berner Alpen Schweiz
Petit Dru, Westwand, Magnone Montblanc-Gebiet Frankreich
1968 Lyskamm-Westgipfel, Nordwand Walliser Alpen Schweiz
Dent d'Herens, Nordwand Walliser Alpen Schweiz
Gletscherhorn, Direkte Nordwand Berner Alpen Schweiz
Grande Jorasses, Walkerpfeiler Montblanc-Gebiet Frankreich
1969 Grosse Zinne, Nordwand, Hasse/Brandler Dolomiten Italien
Lalidererspitze, Nordverschneidung, Rebitsch Karwendel Österreich
Petit Dru, Nordwand, Allain Montblanc-Gebiet Frankreich
Les Droites, Direkte Nordwand Montblanc-Gebiet Frankreich
Eiger, Nordwand Berner Alpen Schweiz
1970 Montblanc, gesamter Peutereygrat (einschliesslich Aiguille Noire Südgrat) Montblanc-Gebiet Frankreich
1972 Aiguille de Blaitière, Westwand, Brown Montblanc-Gebiet Frankreich
1974 Grands Charmoz, Westpfeiler, Cordier Montblanc-Gebiet Frankreich
Les Droites, Nordpfeiler Montblanc-Gebiet Frankreich
Petit Dru, Westwand, Hemming/Robbins Montblanc-Gebiet Frankreich
Mont Blanc, Freneypfeiler Montblanc-Gebiet Frankreich
1977 Fleischbankpfeiler, Pumprisse (1. Begehung mit Helmut Kiene) Kaisergebirge Österreich


USA[Bearbeiten]

1975 Half Dome, Nordwestwand Yosemite
El Capitan, Nose Yosemite
1977 El Capitan, Salathé Yosemite
El Capitan, Westwand Yosemite
1978 El Capitan, Son of Heart Yosemite
1979 El Capitan, Shield Yosemite
1980 El Capitan, Zodiak Wall Yosemite

Darüber hinaus kletterte Reinhard Karl zwischen 1975-1981 zahlreiche Sportkletterouten im Yosemite, Colorado und Utah bis zum Schwierigkeitsgrad 5.12 (IX UIAA), u.a. Hangdogflyer (5.12), Yosemite


Baffin Island[Bearbeiten]

1977 1. Begehung des 800-900m hohen Pfeilers eines (damals noch namenlosen) Gipfels im Schwierigkeitsgrad VI-VII mit Helmut Kiene, Gehard Baur und Peter Vogler anlässlich einer Filmexpedition


Himalaya[Bearbeiten]

1978 Mount Everest
1979 Gasherbrum II
1980 Nanga Parbat, Versuch Toni-Kinshofer-Gedächtnisweg mit dem Spanier Luis Fraga und den Franzosen Patrick Berhoult und Yannick Seigneur, Abbruch wegen Höhenkrankheit von Patrick Berhoult
1981 K2, Versuch Südwand zu durchsteigen mit Hans Martin Götz und den Franzosen Jean Afanassieff und Yannick Seigneur, Abbruch wegen extremer objektiver Gefahren (Eisschlag)
1982 Cho Oyu, Südostwand, Tod Reinhard Karls durch Eisschlag


Patagonien[Bearbeiten]

1980 Cerro Torre, Versuch Maestriroute mit Hans Martin Götz, Abbruch wegen schlechten Wetters
1982 Fitz Roy, mehrere Versuche Supercanaleta (Argentinierführe) mit dem Spanier Luis Fraga, abgebrochen wegen schlechten Wetters
Fitz Roy, Amerikanerroute mit den Schweizern Peter Lüthi und Toni Spirig


Werke[Bearbeiten]

  • Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen. Bad Homburg : Limpert, 1980, 1. Auflage, (München: Berg, 1994, Bearbeitete und um weitere Texte erweiterte Neuausg.; München : Bruckmann, 2009, ISBN 978-3-7654-5152-2, Reprint der Ausgabe München : Berg, 1994)
  • Yosemite – Klettern im senkrechten Paradies. Bad Homburg : Limpert, 1982, 1. Aufl., ISBN 3-7853-1380-2
  • Berge auf Kodachrome. Tagebuchaufzeichnungen und Fotos aus Reinhard Karls letztem Lebensjahr, herausgegeben von Eva Altmeier-Karl. Bad Homburg : Limpert, 1983, 1. Aufl., ISBN 3-7853-1427-2


Literatur[Bearbeiten]

  • Tom Dauer: Reinhard Karl. Ein Leben ohne Wenn und Aber. Zürich : AS-Verlag, 2002, ISBN 3-905111-75-6
  • Tom Dauer: Reinhard Karl. Das neue Bild der Berge. Zürich : AS-Verlag, 2006, ISBN 3-909111-24-6
  • Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen. München : Bruckmann, 2009, ISBN 978-3-7654-5152-2, Reprint der Ausgabe München : Berg, 1994


Links[Bearbeiten]